Psychische Erkrankungen sind keine seltenen Erkrankungen, jeder kann zu jedem Zeitpunkt im Lebensverlauf betroffen sein.
Sie sind Erkrankungen unseres Gehirns und Nervensystems – dem komplexesten Organ des Menschen. Warum sollte ausgerechnet dieser komplexe Teil unseres Körpers weniger häufig erkranken, als andere Organe unseres Körpers?
Statistik
Im Laufe eines jeden Jahres erleiden 27 Prozent der EU-Bevölkerung oder 83 Millionen Menschen mindestens eine psychische Störung wie z.B. eine Depression, Schizophrenie, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, Panik- oder Zwangsstörungen, somatoforme Störungen oder Demenz. Das Lebenszeitrisiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, liegt allerdings mit über 50 Prozent der Bevölkerung wesentlich höher!
In Deutschland stieg die Zahl der Fälle bei psychischen Erkrankungen von 1997 bis 2004 um 70 Prozent. Laut dem DAK-Gesundheitsreport 2005 ist oder war jeder siebte Berufstätige schon einmal wegen eines psychischen Problems in professioneller Behandlung.
Ursachenforschung
Genetische Veranlagung kann die Ursache für psychische Störungen sein. Psychologen führen sie jedoch vor allem auf das Erleben in der Kindheit zurück – im entscheidensten Zeitabschnitt für eine erfolgreiche gesundheitliche Entwicklung und Sozialisation. Befunde zeigen deutlich, dass frühe psychische Störungen vielfältige negative Effekte auf viele Bereiche des Lebens haben (z.B. berufliche Karriere, Partnerschaft und Familienleben). Bleibt die Behandlung eines psychischen Problems im frühen Verlaufsprozess aus, ist das Risiko für eine lebenslange Leidengeschichte stark erhöht.
Bei sehr vielen Menschen kommt es irgendwann einmal im Leben zu einer emotionalen Notlage, ausgelöst z.B. durch den Verlust eines geliebten Menschen, Arbeitslosigkeit oder Stress. In manchen Fällen gelingt es Betroffenen nicht, solche Krisen ohne eine schwere Traumatisierung zu bewältigen.
Wer ist besonders gefährdet?
Fest steht: Frauen haben ein höheres Risiko, an psychischen Störungen wie Angst, Depression und somatoformen Störungen zu erkranken als Männer. Ausnahmen sind Substanzabhängigkeit, Psychosen und manisch-depressive (bipolare) Störungen. Da die meisten psychischen Störungen bei Frauen überwiegend in den gebärfähigen Jahren ihres Lebens auftreten, haben diese wiederum negative Auswirkungen auf ihre Neugeborenen und deren weitere Kindesentwicklung.
Gerade über die Entwicklung bei den jüngeren Altersgruppen zeigte sich die DAK besorgt, da hier ein überproportionaler Anstieg der psychischen Erkrankungen erkennbar wurde. Besonders stark betroffen sind die Altersgruppen der 15- bis 29-Jährigen (bei den Frauen) bzw. der 15- bis 34-Jährigen (bei den Männern). Zwischen 1997 und 2004 wiesen die jüngeren Altersgruppen zum Teil sogar eine Verdoppelung der Erkrankungsfälle auf.
Experten bewerten alarmierenden Anstieg
Experten kamen zu dem Schluss, dass es tatsächlich mehr Fälle psychischer Störungen gibt. Ein Grund dafür ist sicher die moderne Arbeitswelt, die häufig mit schlechteren Rahmenbedingungen für Menschen einhergeht, die anfälliger für diese sind. Für wichtig halten Fachleute aber auch, dass psychische Erkrankungen mittlerweile von den Hausärzten häufiger entdeckt werden. Darüber hinaus suchen Patienten heute wegen psychischer Probleme eher einen Arzt oder Psychologen auf als früher.
Weiterhin niedrige Behandlungsrate
Tatsächlich zeigen sich viele Menschen heute erstaunlich offen gegenüber psychischen Erkrankungen. Dennoch – mit geringen Unterschieden zwischen den EU-Ländern – erhalten nur 26% aller Betroffenen irgendeine und noch weniger eine adäquate Behandlung. Oft vergehen viele Jahre und manchmal Jahrzehnte, bevor eine erste Behandlung eingeleitet wird. Unbehandelt verlaufen viele psychische Störungen häufig chronisch mit zunehmenden Komplikationen. Die niedrige Behandlungsrate, die in keinem anderen Bereich der Medizin in diesem Ausmaß bisher beobachtet werden, bleibt weiter Besorgnis erregend.
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