Es brennt wie Feuer, sticht wie tausend Nadeln oder drückt wie in einem Schraubstock. Das sind nur einige Beispiele, wie Betroffene ihre Schmerzen beschreiben, denn jeder Mensch empfindet sie anders.
Schmerzwahrnehmung und -Verarbeitung hängen von unterschiedlichen inneren und äußeren Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel das Geschlecht, das Allgemeinbefinden, bisherige Schmerzerfahrungen und nicht zuletzt die Tageszeit.
Interessante Einblicke in die Schmerzempfindlichkeit liefert die Chronobiologie. Diese Wissenschaft erforscht die zeitlichen Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Lebensvorgängen. Solche sich wiederholende zeitliche Rhythmen sind zum Beispiel der Schlaf-Wachrhythmus oder der Regelzyklus der Frau. Beim Menschen sind mittlerweile mehr als 100 verschiedene Rhythmen von unterschiedlicher Dauer bekannt. Der bekannteste ist der circadiane Rhythmus, der eine Periodendauer von etwa 24 Stunden hat („circa diem“, etwa einen Tag). „Schmerzempfindungen und Reaktionen auf Schmerzreize hängen von tagesrhythmischen Prozessen ab“, erläutert Professor Dr. Hartmut Göbel, Direktor der Schmerzklinik Kiel, und ergänzt: „Dabei ist der Tag-Nacht-Rhythmus für die Schmerzempfindlichkeit bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern. Die Schmerzempfindung beider Geschlechter ist um 10.00 Uhr morgens am stärksten, nachmittags dagegen nur ein Drittel so intensiv. Ein Grund, weswegen diese Tageszeit zum Beispiel für den Zahnarztbesuch besonders günstig ist. Auch Medikamente wirken je nach Zeitpunkt der Einnahme ganz unterschiedlich. So ist die Wirksamkeit von Schmerzmitteln abends deutlich stärker als morgens.
Den Schmerz bekämpfen
Egal welche Uhrzeit und welches Geschlecht – Schmerz mindert die Lebensqualität und ist ein wichtiger Marker für die allgemeine subjektive Befindlichkeit. Der Einfluss geht sogar so weit, dass aktuell auftretende Schmerzen die Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt mindern, so die Daten des Gesundheits-Surveys.
Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, die Beschwerden ernst zu nehmen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine Studie, die auf dem diesjährigen europäischen Kopfschmerzkongress vorgestellt wurde, bestätigt den Stellenwert von rezeptfreien Schmerzmitteln bei der Behandlung von Spannungskopfschmerzen, der häufigsten Kopfschmerzart: Demnach sind 500 und 1.000 Milligramm Aspirin (entspricht ein bis zwei Tabletten) und 1.000 Milligramm Paracetamol bedeutend besser wirksam als ein Scheinmedikament. Eine 500 Milligramm Paracetamol-Tablette war hingegen nicht wirksamer als Placebo. Gleichzeitig konnte der Aspirin-Wirkstoff die mit Spannungskopfschmerz einhergehende Einschränkung der Tagesaktivitäten schneller wieder aufheben. Auch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) empfiehlt in ihren Leitlinien 1.000 Milligramm Acetylsalicylsäure als ein Mittel der Wahl sowohl bei Spannungskopfschmerz als auch Migräne.
„Wichtig ist“, erklärt Göbel „Medikamente mit nur einem Wirkstoff einzunehmen, denn Schmerzmittelmischpräparate mit Koffein werden häufig überdosiert und fördern das Risiko für Dauerkopfschmerz.“ Grundsätzlich sollten Schmerzmittel nicht länger als drei Tage hintereinander und maximal zehn Tage im Monat eingenommen werden.
Schmerzhafte Unterschiede zwischen Mann und Frau
Unterschiede zwischen den Geschlechtern beim Thema Schmerz zeigen sich in vielfältiger Weise: Frauen leiden im Verlauf eines Jahres nahezu doppelt so häufig an akuten Schmerzen wie Männer. Dies zeigen Daten des Bundesgesundheits-Surveys, einer repräsentativen Untersuchung des Robert Koch-Instituts zum Gesundheitszustand der Bevölkerung in Deutschland. Frauen beklagen auch intensivere und länger andauernde Schmerzen. Mehr als 36 Prozent der weiblichen Bevölkerung leiden mindestens einmal in der Woche unter Kopfschmerzen. Bei jüngeren Frauen bis zum Alter von 40 Jahren sind Kopfschmerzen die am häufigsten genannte Schmerzart. Bei Männern hingegen dominieren Rückenschmerzen: Hier haben etwa 31 Prozent wöchentlich Beschwerden. Häufige Schmerzzonen bei Männern und Frauen sind auch Nacken, Schultern und Beine.
Studien weisen darauf hin, dass Frauen Schmerzen anders erleben und verarbeiten als Männer. Entgegen der landläufigen Meinung zeigen Laboruntersuchungen, dass Frauen eine niedrigere Schmerzschwelle und eine geringere Toleranz gegenüber Schmerzen besitzen. Das männliche und das weibliche Gehirn reagieren bei gleichen Schmerzreizen unterschiedlich – bei Frauen werden bestimmte Gehirnareale stärker aktiviert, die für die emotionale Tönung von Schmerzen verantwortlich sind. Das männliche Gehirn hingegen zeigt eine stärkere Aktivität in den auf Erkenntnis beruhenden und analytischen Bereichen der Wahrnehmung. Daher haben die Schmerzen bei den Geschlechtern unterschiedliche Folgen – bei Frauen sind dies oft Ängste, Depressionen und Schlafstörungen. Da Männer die Schmerzen häufiger ignorieren, birgt dies die Gefahr, dass sie schneller chronisch werden und langfristig Schäden durch Überlastung entstehen.
Akute Alltagsschmerzen sind oft auf körperliche und seelische Belastungen zurückzuführen. Hierzu zählen vor allem Über- und Fehlbelastungen, aber auch Stress und mangelnde Bewegung. „Insbesondere die Verhaltensgewohnheiten, die stress- und schmerzfördernd sind, sollte man identifizieren, um entsprechende Vermeidungsstrategien zu entwickeln“, so Göbel. Hierbei kann ein Tagebuch, eine Belastungscheckliste oder ein Alltagsschmerz-Test hilfreich sein. Neben Verhaltensänderungen als erste Maßnahme sind zur Vorbeugung auch Ausdauersport und Entspannungstechniken besonders geeignet.