Therapieformen für das hyperkinetische Syndrom
Mit dem hyperkenetischen Syndrom bezeichnet man die zumeist geläufigere Aufmerksamkeitsdefizit- oder auch Hyperaktivitätsstörung (ADHS/HKS), welche überwiegend bei Kindern im Schulalter aber zunehmend auch bei Erwachsenen auftritt.
So werden einige Kinder mit der Aufmerksamkeitsdefizitstörung geboren, wohingegen andere Betroffene diese Störung erst im Schul- oder sogar erst im Pubertätsalter aufgrund verschiedenster Faktoren entwickeln.
Die Gründe für ADHS sind vielfältig und lassen sich nicht grundsätzlich auf jedes Krankheitsbild anwenden. So können neurologische Vernetzungsstrukturen, aber auch Traumata im Kindesalter ursächlich für diese Defizite sein. Auch tritt diese psychische Störung individuell stark ausgebildet auf. Wo einige stark von ADHS betroffene Patienten enorme therapeutische Hilfe benötigen um den Alltag überhaupt erst gestalten zu können, so haben viele schwach betroffene Personen noch nicht einmal Kenntnis von ihrer Störung, welche sie im Alltag wenig bis gar nicht belastet.
Da ADHS häufig bei Patienten mit einer hohen Intelligenz auftritt, gelingt es ihnen auch unbewusst den Alltag defizitfrei durch eine perfekte Anpassung zu gestalten. Auffällig ist, dass diese Personen oft für andere unerklärliche Leistungseinbrüche haben, worunter sie psychisch sehr leiden. Diese psychische Störung wird aufgrund der oftmals nicht besonders stark ausgebildeten Symptomatik zu spät oder auch gar nicht erkannt und dementsprechend auch nicht therapiert. Dies kann zu sozialen Problemen wie Isolation oder auch zu komplexen Folgeerkrankungen wie Ess- oder Angststörungen sowie zu Depressionen führen.
Patienten mit dem hyperkinetischen Syndrom leiden unter der Reizüberflutung durch die Gesellschaft. Der stetig steigende Druck durch das soziale Umfeld und der Schule bzw. durch den Beruf stellen die von ADHS Betroffenen vor eine große Herausforderung. So leiden die Patienten zumeist unter Konzentrationsstörungen, besitzen jedoch eine enorme Sensibilität äußeren Einflüssen gegenüber. Durch diese Vernetzung von Eindrücken und Zwängen von außen gerät der von ADHS Betroffene in eine von ihm oftmals nicht zu bewältigende Situtaion. Häufig fallen hochbegabte Schüler durch einen plötzlichen nicht erklärbaren Leistungsabbau auf und ziehen sich von ihrem sozialen Umfeld zurück.
Wichtig für den vom hyperkinetischen Symptom Betroffenen ist es, sich mit seinen individuellen (sozialen) Fähigkeiten und den vorhandenen Potentialen auseinander zu setzen und die eventuellen Begleitstörungen und Folgeerkrankungen zu therapieren. Ziel ist es, den Lebensraum des Patienten dahingehend zu gestalten, dass er ihn ohne Schwierigkeiten für sich selber und seine Fähigkeiten nutzen kann. Dieser Erfolg lässt sich meist erst durch eine ganzheitliche Therapie erzielen, welcher nicht nur den Betroffenen und seine Seele, sondern auch seine (Folge-)Erkrankungen sowie sein Umfeld behandelt.
Erfolg durch multimodale Spezialtherapie
In einer ganzheitlichen Therapie können die Störungen und Erkrankungen des ADHS-Betroffenen multimodal betrachtet und behandelt werden. Hierbei werden aufeinander aufbauend und auch parallel eingesetzte verschiedene Therapieformen angewendet. Die Spezieltherapie setzt sich so aus einer Psychotherapie, begleitendes Coaching, psychosoziale Intervention sowie bei Bedarf einer Pharmakotherapie zusammen. Die Grundlage für eine erfolgreiche Spezialtherapie ist eine ausführliche und tiefgehende Analyse des individuellen Krankheitsbildes.
Wichtig für viele der stärker betroffenen Patienten ist eine medikamentöse Zusatzbehandlung. Erst durch das Verabreichen von bestimmten Medikamenten wird die Selbststeuerungs-, Aufmerksamkeits- und die Konzentrationsfähigkeit verbessert, welches oftmals erst die Vorraussetzung für eine erfolgreiche weitere Therapie ist. Durch die verbesserten Fähigkeiten des Patienten wird sein Selbstvertrauen gesteigert und sein Leidensdruck dadurch deutlich gemindert.
Für die Grundmedikation greift man hier auf Stimulanzien zurück, welche den Dopaminstoffwechsel im Gehirn beeinflussen. Dieser ist für die funktionellen Zusammenhänge im Nervensystem verantwortlich, weshalb es dem Betroffenen nach Verabreichung deutlich leichter fällt sich zu konzentrieren und sich selber in seinem Verhalten zu steuern. Unterstützend kann man hier individuell auf Antidepressiva zurückgreifen.
Um den Erfolg der medikamentösen Therapie nun für den weiteren Verlauf zu nutzen, unterstützt man die bisherigen Erfolge durch eine fundierte Psychotherapie. Hierbei greift man neben der Tiefenpsychologischen Behandlung auch auf Möglichkeiten der Verhaltens- und Familientherapie zurück. Wichtig ist auch hier, dass nicht nur der Patient, sondern auch sein häufig durch Unwissenheit oder Hilfslosigkeit geprägtes Umfeld eingewiesen und therapiert wird. Ziel der Psychotherapie ist es, einen detaillierten Einblick in das Wesen des Patienten zu gewinnen und ihn dadurch kompetent und gezielt zu behandeln.
Therapie-Programme für Kinder
Für Kinder mit dem hyperkinetischen Syndrom bieten sich hier verschiedene verhaltenstherapeutische Therapieprogramme an. In Gruppen- oder auch Einzelsitzungen wird nach Analyse der individuellen Verhaltensstruktur am Selbstwertgefühl der Kinder gearbeitet.
Sie lernen ihre Schwächen, aber auch ihr Stärken kennen und diese gezielt einzusetzen. Durch ein spezielles Coaching lernen sie Methoden zur Selbstkontrolle kennen und ihren Alltag zu managen, welches sich wiederum positiv auf das Selbstbewusstsein auswirkt.
Ein persönlicher Coach steht Kindern und Erwachsenen gleichsam zu. Als Vertrauensperson ist er zugleich Ansprechpartner und Motivator. Gemeinsam entwickelt der Patient mit seinem Coach Strategien und Ziele, bei dessen Erreichen er unterstützend zur Seite steht.
Erwachsene Patienten durchlaufen die Psychotherapie meist mit größeren Schwierigkeiten als die betroffenen Kinder. Häufig leiden sie neben der Grundstörung an Folgeerkrankungen, welches ein wesentlich komplexeres Krankheitsbild ergibt.
Hier verspricht eine tiefenpsychologische Behandlung große Erfolge. Durch eine solche grundlegende Therapie der meist sehr labilen „Ich-Struktur“ kann in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung große Erfolge und ein gesteigertes Selbstwertgefühl erzielt werden.
Um das komplette familiäre Umfeld mit in das Therapiekonzept einzubinden, werden ebenfalls spezielle Familientherapien angeboten. Oftmals sind auch die Eltern von ADHS betroffen, was eine Familientherapie nur umso sinnvoller macht. Hier werden nun Interventionsverhalten und Beziehungs- bzw. Bindungsstrukturen analysiert und besprochen, welche einen maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten des Kindes nehmen können.
Eltern können unterstützende Beratungen, Tagesgruppen und Gesprächskreise besuchen, in denen sie sich mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und seinen familiären Auswirkungen auseinandersetzen. Auch können sie sich mit anderen betroffenen Eltern austauschen und sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch nehmen. Hier bekommen sie zum Beispiel unterstützende Erziehungshilfen angeboten.
Eine weitere ergänzende Therapieform ist die Ergotherapie. Sie wird eingesetzt, um die meist gestörte Feinmotorik zu behandeln. Nervenleitungsstörungen und Körperempfindungsdefizite werden durch eine gezielte Ergotherapie behandelt und ausgeglichen. Durch eine bessere Körperwahrnehmung kann sich der Patient letztendlich entspannen und dadurch seine Konzentrationsfähigkeit fördern.
Mit Hilfe einer unterstützenden Ernährungstherapie durch zugesetzte Nährstoffe wird das Wohlbefinden gesteigert, welches wiederum den Allgemeinzustand des Patienten verbessern kann. Viele Therapiezentren setzen zur Nahrungsergänzung Präparate mit Zink, Magnesium, Vitamin E oder Omega-3-Fettsäuren ein, welchen eine positive Wirkung bei ADHS-Betroffenen nachgesprochen wird. So empfielt man ebenfalls eine möglichst kohlenhydrat- und proteinreiche Kost zu verzehren, welche einen geringen glylämischen Wert aufweist.
Moderne Therapie-Methoden
Eine neuartige Therapieform ist das sog. Neurofeedback, welches eine Sonderform des Biofeedback-Trainings ist und die konventionelle Therapie unterstützen kann.
Hierbei trainiert der Patient sein eigenes Hirnstrommuster an einem Computer und bekommt über akustische oder optische Signale Rückmeldungen über die Veränderungen seiner EEG-Signale. Dieses führt nach den Erfahrungen und Erkenntnissen der Wissenschaft zu einem unbewussten Kontrollieren der eigenen Aufmerksamkeits- und Bewusstseinszustände, welches sich positiv auf die Verhaltenskontrolle ADHS-Erkrankter auswirkt.
In 10 bis 20 Prozent der ADHS-Patienten erweist sich eine Oligo-Antigene Diät als wirksam. Diese ursprünglich für Neurodermitis-Erkrankte entwickelte Diät versucht die psychische Störung durch ADHS mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu erklären. Wie auch bei der Therapie von Neurodermitis wird den Patienten eine vierwöchige Diät verabreicht, welche sich ausschließlich aus allergen-armer Kost zusammensetzt. Hier beobachtet man nun den weiteren Verlauf der Störung: verbessert sich durch die Diät die Symptomatik, so reichert man die Kost stufenweise und im Vierteltagesrythmus mit allergenträchtigen Nahrungsmittel an. Erfasst man nun eine Verschlechterung der Symptome, wird das verursachende Nahrungsmittel vom Speiseplan gestrichen.
Unterstützend zur klassischen Therapie bieten viele Therapiezentren eine homöopathische Zusatzbehandlung an. Auch die Gabe von Placebos kann in einigen Fällen eine Wirkung erzielen, sollte eine Therapie jedoch nicht ersetzen.
Einen neuen Ansatz für eine erfolgreiche Zusatztherapie bietet die Behandlung mit Nikotin. So verbessert Nikotin die Aufnahmefähigkeit der von ADHS betroffenen Personen, was eine Begründung für die hohe Raucherate bei den Patienten sein könnte.
Nach einer aktuellen Studie sprechen viele betroffene Erwachsene auf eine Therapie mit Nikotinpflaster an, wobei die Symptomatik deutlich verbessert wurde.