Lisa mag nicht mehr zur Schule gehen. Denn in ihrer Klasse sind Mandy, Cora und Anni, die Lisa nicht leiden können. Sie machen ihr den Schulalltag zur Hölle und haben bereits die ganze Klasse gegen sie aufgehetzt. „Sie lachen ständig über mich und bewerfen mich die ganze Zeit mit Papierkugeln“, erzählt die Fünftklässlerin und weint. „Ich geh´ da nicht wieder hin.“
Lisa ist nicht die einzige, die in der Schule schwer unter Spott und Hänseleien ihrer Mitschüler leiden muss. Mobbing bezeichnet man das Phänomen, das so viel bedeutet wie „anpöbeln“ oder „fertig machen“. Es ist eine spezielle Form aggressiven Verhaltens und besteht aus anhaltenden Schikanen durch ein oder mehrere Personen gegenüber einem einzelnen physisch oder psychisch Schwächeren. Man schätzt, an deutschen Schulen wird mindestens jedes zehnte Kind ernsthaft gemobbt.
Von Verspotten bis Verprügeln
Mobbing in der Schule funktioniert unterschiedlich: So wie Lisa werden viele Kinder ausgelacht und mit Worten verspottet. Andere werden komplett ignoriert bei Gesprächen und Aktivitäten nicht mit einbezogen. Beliebt ist es auch, böse Gerüchte zu streuen oder seine Niedertracht gegen das Opfer selbst oder dessen Habe zu richten. Meistens beginnt es harmlos: Einige finden es originell den Leidtragenden mit Papierkügelchen, Kreide oder anderen Dingen zu bewerfen, bemalen dessen Schulhefte, nehmen sie ganz weg oder machen Hefte, Füller oder Lineal einfach kaputt. Doch Mobbingopfer werden auch erpresst, getreten, gestoßen und verprügelt.
Ungeliebte Mobbingopfer
Mobbingopfer sind oft wenig beliebt. Man mag sie nicht, weil sie sich anders verhalten: Sie sind Musterschüler, Streber oder „langweilige graue Mäuse“. Häufig werden sie auch wegen ihrer äußeren Erscheinung zu Außenseitern. Übergewicht, Stottern oder „uncoole“ Kleidung können direkte Aufhänger für die Übergriffe werden. Makellosigkeit und Markenkleidung bestimmen auch in der Schule die Popularität.
Dass Mobbingopfer am wenigsten beliebt sind, kann ebenfalls Folge von Mobbing sein. In der Regel fängt einer an, andere machen mit und bald bildet sich eine Gruppe von anfeuernden Zuschauern. Wird über längere Zeit gemobbt wird, verändert sich allmählich die allgemeine Wahrnehmung: Das Opfer erscheint immer mehr als wertlos und die schlechte Behandlung verdienend. Und irgendwann empfinden alle direkt und indirekt Beteiligten Schikanieren als normal.
Besonders gerne wählen sich die Täter sensible Mitschüler bzw. Klassenkameraden mit wenig Selbstbewusstsein aus, die sich nicht wehren können und ihnen unterlegen sind. Denn nur dann macht Mobbing Spaß. Auch auf Kinder, die besonders arglos und vertrauensvoll auf ihre Mitschüler zugehen, zielen die Übergriffe.
Persönliche Gefühle der Täter spielen ebenfalls eine Rolle, bei der Wahl eines Mobbingopfers. Sie wollen sich rächen, sind eifersüchtig oder fürchten einen Konkurrenten. Mobbingopfer sind aber auch Schüler, die neu in eine Klassengemeinschaft kommen und noch nicht integriert sind.
Folgen des Psychoterrors
Mobbing in der Schule wir leider häufig nicht ernst genommen. Lehrer bekommen wenig davon mit, da meist mit subtilen Methoden gemobbt wird und Schikanen in Pausen oder auf dem Schulweg ausgeübt werden.
Aus vorliegenden Untersuchungen lässt sich jedoch ableiten, dass Mobbing sowohl die Sozialentwicklung als auch das Lernen von betroffenen Kindern oder Jugendlichen stark beeinträchtigt. Betroffenen Schüler leiden stark, verlieren ihr Selbstvertrauen komplett, entwickeln Depressionen, und Konzentrationsprobleme, Ihre Schulleistungen brechen ein und es entsteht Schulangst. Andere ziehen sich zurück oder werden aggressiv. Bei vielen Kindern entstehen psychosomatische Erkrankungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Magenschmerzen, Atemnot, und Schlafstörungen.
Da sich Mobbingopfer selbst nicht mehr helfen können, aber gleichzeitig ihre Probleme für sich behalten, ist es wichtig für Eltern Anzeichen von Mobbing zu erkennen.
Warnsignale erkennen
- Ihr Kind will nicht mehr in die Schule gehen
- Ihr Kind will zur Schule gebracht werden
- Die schulischen Leistungen werden immer schlechter
- Die Schulsachen Ihres Kindes sind immer öfter kaputt
- Die Kleider Ihres Kindes sind zerrissen
- Ihr Kind kommt verletzt aus der Schule
- Ihr Kind hat ständig Geld verloren (es wird erpresst)
- Ihr Kind klagt ständig über Kopf- oder Magenschmerzen, Übelkeit,
Atemnot oder Appetitlosigkeit - Ihr Kind schläft schlecht und hat ständig Alpträume
- Ihr Kind wirkt ständig traurig und weint oft
- Ihr Kind wirkt zu Hause oft gereizt
- Ihr Kind verabredet sich nicht mehr mit Klassenkameraden oder wird nur noch selten zu Geburtstagspartys eingeladen
Was Eltern in der Schule bewirken können
Eltern sollten unbedingt das Gespräch mit ihrem Kind suchen und sich nicht mit Andeutungen zufrieden geben. Finden Sie liebevoll heraus, was mit ihrem Kind los ist. Unterscheiden Sie dabei zwischen kleinen Ärgernissen mit den Klassenkameraden und ernsthaften Mobbing. Nicht jeder Zwischenfall ist ein Angriff. Damit sie das Vertrauen des Kindes gewinnen, darf es aber nicht das Gefühl bekommen, es würde nicht erst genommen werden. Versichern Sie dem Kind Ihren Beistand. Suchen Sie niemals die Schuld bei dem Kind. Wenn Ihr Kind über längere Zeit in der Schule gequält wird, handelt es sich weder um eine Kleinigkeit noch um ein Fehlverhalten des Kindes.
Die Situation muss dringend bereinigt werden. Es ist wichtig, dass Ihr Kind vor weiterem Psychoterror geschützt wird. Eltern müssen daher den Klassenlehrer oder einem Vertrauenslehrer benachrichtigen. Seien Sie aber vorsichtig mit Schuldzuweisungen und beachten Sie, dass Lehrer meistens nichts von den Mobbingaktionen mitbekommen. Nehmen Sie das Kind nicht mit, es wird dadurch nur noch mehr belastet. Am besten schildern Eltern die Lage sachlich und fordern Konsequenzen ein. Eltern sollten sich nicht einfach mit den Versicherungen der Lehrer zufrieden geben, sie würden in Zukunft aufpassen. Die Schule muss aktiv etwas gegen die Situation unternehmen. Ist die ganze Klasse involviert, sollte es dort zu einem ernsten Gespräch kommen. Manchmal haben Klassen für solche Situationen extra Streitschlichter gewählt.
Eltern können natürlich selbst Lösungsvorschläge einbringen. Vielleicht mag es sinnvoll sein – gemeinsam mit den Lehrkräften – ein Gespräch mit den Eltern der an den Mobbingaktionen beteiligten Schüler zu führen. Vermeiden Sie es, solche Unterredungen ohne die Schule zu organisieren. Eltern sollten bedenken, dass die Eltern der Täter ebenfalls Ihre Kinder schützen wollen und solche privaten Gespräche daher meist ihr Ziel verfehlen. Auch direkte Gespräche mit den Mobbern können die Situation noch verschlimmern – denn das signalisiert den Tätern, dass ihr Opfer sich nicht selbst helfen kann.
Am besten vereinbaren Sie konkrete Maßnahmen und einen Zeitrahmen. Beobachten Sie trotzdem, ob die Schule etwas gegen die Mobbingangriffe unternimmt und ob sie dann wirklich aufhören. Denn einige Lehrer sind wenig hilfsbereit. Gerne wird schnell vorgeschoben, das Problem würde sich von selbst lösen. Protokollieren Sie weitere Vorfälle. Bleibt dies ohne Ergebnis, suchen Sie das Gespräch mit der Schulleitung. Bleibt ach diese passiv, muss die Schulbehörde informiert werden.
Was Eltern zu Hause tun können
Eltern müssen das Selbstbewusstsein ihrer Kinder stärken. Zeigen Sie ihrem Kind ihre Liebe – in Worten, Gesten und Taten. Ein Kind lernt nur sich selbst zu lieben, wenn es von anderen Liebe empfängt.
Anerkennung und Aufmerksamkeit sollten sich Kinder nicht erst verdienen müssen. Eltern zeigen, dass sie ihr Kind mit allen Stärken und Schwächen akzeptieren, wenn sie aus Fehlern kein Drama machen. Sie können ihrem Kind erklären, dass auch Fehler zum Leben dazu gehören und von eigenen Missgeschicken erzählen und wie sie selbst die unangenehmen Situationen des Lebens gemeistert haben.
Lob sollten Eltern aber auch nicht vergessen. Auch wenn das Kind lernen muss, zu seinen Fehlern zu stehen: Nicht immer ist es nötig, die Fehler des Kindes ständig zu kritisieren. Es ist auch wichtig, hervorzuheben, was das Kind besonders gut macht. Lob ist sind der schnellste Weg, um das Selbstwertgefühl eines Kindes zu stärken.
Versuchen Sie auf jeden Fall mit ihrem Kind immer im Gespräch zu bleiben. Wenn Eltern zeigen, dass sie dem Kind Vertrauen und offen und fair auf seine Geständnisse reagieren, wird das Kind sie seinerseits mit Vertrauen belohnen. Mobbing wird dann gleich im Keim erstickt, denn Eltern können dem Kind mit Rat zur Seite stehen, bevor kritische Situationen sich manifestieren.