Du gehörst doch in die Klapsmühle!“ – Vielen Menschen fällt es schwer, mit psychischen Erkrankungen umzugehen. Bei Grippe steigt das Fieber, ein Armbruch sieht man beim Röntgen: Körperliche Erkrankungen kann man erkennen und messen.
Im Gegensatz dazu stehen die psychischen Erkrankungen, die sich “nur” in Gefühlen ausdrücken und das Verhalten Betroffener beeinflussen. Sie werden oft übersehen oder verharmlost. Doch kommen sie ebenso häufig vor wie Krankheiten, die sich rein körperlich äußern und sie können grundsätzlich jeden Menschen in jeder Lebensphase treffen.
Die meisten psychischen Leiden können gut behandelt werden, wobei eine frühzeitige Erkennung und Behandlung immer von Vorteil ist. Doch immer noch scheuen Betroffene den Weg zum Arzt oder Therapeuten. Es fällt ihnen schwer, sich selbst ihre psychische Erkrankung einzugestehen und sie anderen zu offenbaren. Denn leider tabuisiert die Gesellschaft psychische Krankheiten immer noch, so dass viele Vorurteile und Missverständnisse weiter bestehen bleiben.
Die Schwierigkeit umzudenken
Es hat sich gezeigt, dass sich heute schon viel mehr Menschen als noch vor 30 Jahren aufgrund psychischer Probleme behandeln lassen. Damals bedeutete der Gang zum Psychiater oder gar die Einweisung in eine psychiatrische Klinik sofort das gesellschaftliche Abseits. Mittlerweile zeigt sich die Gesellschaft verständnisvoller und toleranter gegenüber psychisch kranken Menschen. Dennoch zeigt ein Blick hinter die Kulissen, dass es noch ein weiter Weg ist, bis psychische Erkrankungen so anerkannt werden wie körperliche Erkrankungen.
Gemäß einer europäischen Studie bleiben pro Jahr zwei Drittel aller psychischen Störungen unbehandelt und nur einer von vier Betroffenen erhält wenigstens eine kurze Beratung. Es ist für Deutschland belegt, dass ein großer Teil der Patienten immer noch aus Scham keine ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt. Auch am Arbeitsplatz und selbst unter Familie und Freunden wird aus Angst vor Ablehnung über die Krankheit geschwiegen.
Irrtümer
Natürlich glaubt heute keiner mehr, dass ein Geisteskranker vom Teufel besessen sei – eine Meinung, die noch lange bis ins 19. Jahrhundert vorherrschte. Psychisch Kranke bleiben dennoch negativ behaftet. Viele Menschen assoziieren mit dem Begriff “Psychiatrie” Gummizellen und Zwangsjacken. Es bereitet ihnen Probleme die psychischen Leiden weniger als Verrücktheit sondern wirklich als Krankheit anzusehen. Die Presse trägt natürlich eine Mitschuld an dem verzerrten Bild. Überschriften in Zeitungen wie „Mörder in die Psychiatrie eingeliefert“ setzen psychisch Erkrankte mit Rechtsbrechern gleich und Behandlungseinrichtungen als Aufbewahrungsorte psychisch Kranker. Kein Wunder also, dass besonders Psychose-Erkrankte generell als überdurchschnittlich gewalttätig eingestuft werden.
Wer einen dicken Verband vorzeigt, erhält von allen Seiten Mitgefühl. „Es ist ja nur psychisch” hört hingegen oft der seelisch Kranke und man signalisiert ihm damit, es würde schon vorbei gehen, wenn er sich zusammenreiße. Doch wenn die Psyche leidet, ist man nicht einfach „selber schuld“ und „brauche sich nur zusammennehmen“. Kein Mensch kann sich seine Erkrankungen aussuchen. Auch deuten psychische Krankheiten nicht auf einen schwachen Charakter hin, sondern sind oft Folge verschiedener sozialer Faktoren sowie zunehmender Belastungen durch die moderne Gesellschaft.
Die allgemeine Vorstellung vom unheilbar psychisch Kranken stimmt ebenfalls nicht. Die Medizin hat auf diesem Gebiet weite Fortschritte gemacht, so dass auch psychische Leiden heilbar sind oder zumindest unter Kontrolle gehalten werden können. Doch die Gesundung und der Integration psychisch Erkrankter funktioniert nur, wenn Vorurteile und dadurch bedingtes Verhalten den Weg nicht blockieren.